Mittwoch, 6. April 2011

Joensuu & politisch unterwegs.

Die finnische Nationalagentur fragte mich und meine Mitbewohnerin, ob wir unser EVS Projekt in Joensuu vorstellen können. Hierbei mussten wir auch effektiv für den EVS werben, da im Osten des Landes kaum Aufnahmeorganisationen sind. Werben heißt in diesem Fall auch ganz viel Lügen. Sprich die negativen Seiten sollten wir nicht so ganz in Ausdruck bringen. Wenn da natürlich negative Aspekte wären. Mit voller Begeisterung erzählte ich über mein Projekt.

Das geniale an der ganzen Sache ist ja, die finnische NA bezahlte alle Kosten. Da das Programm am Abend stattfand, und am selben Tag keine Möglichkeiten gab, nach Kouvola zurückzufahren, mussten wir die Nacht in Joensuu verbringen. Dadurch konnte ich ja eine weitere finnische Stadt sehen. Die Tatsache, dass die finnische NA einfach zu viel Geld hat, merkten wir nachdem wir das Hotel sahen: Sokos Hotel Kimmel.













Nachdem wir eincheckten, gabs die nächste Überraschung:

Junior Suite! Ich weiß nicht wirklich, ob das nötig war. Aber nun hatte ich mal die Möglichkeit, mal für eine kurze Zeit, eine Suite zu genießen! :D









































Am nächsten Tag hatte ich frei, und verbrachte die Zeit in Joensuu. Am 17. April werden die Parlamentswahlen in Finnland stattfinden. Seitdem ich in Finnland bin, verfolge ich den Wahlkampf in Finnland und nutzte jede Möglichkeit mehr über die Politik in Finnland zu lernen. Heute waren auf dem Marktplatz die Zentrumspartei, die finnischen Sozialdemokraten und die Linken anwesend.
Daher nutzte ich die Chance die finnischen Parteien und ihre Kandidaten kennenzulernen. Als junggrüner Mensch hatte ich mal wieder Lust zu diskutieren, da ich schon seit gut sieben Monaten nicht politisch aktiv sein konnte (Kouvola ist eine Kleinstadt, da gibts leider nicht viel).

Erste Station: SDP – finnische Sozialdemokraten

Wie auch andere Parteien, versuchten die Sozialdemokraten die Aufmerksamkeit der Menschen mit einer Tasse Kaffee zu gewinnen. Geschafft haben sie es aufjedenfall, da der Stand ziemlich voll war. Ich jedenfalls sprach mit dem 20 – jährigen Kandidat Ville Tahvanainen, der unteranderem ein Mitglied im "European Youth Parliament" ist, wie ich auch demnächst. Er setzt sich unteranderem für jugendpolitische Themen ein. Ville erzählte mir, der jüngste finnische Abgeordnete sei 30 Jahre alt. Seiner Meinung nach, sei das auf gar keinen Fall demokratisch, da jugendpolitische Angelegenheiten dadurch zu kurz kommen und ein älterer Abgeordneter, könne die Jugend nicht vertreten. Auch diskutierten wir über Atomkraft. Ville selbst ist gegen AKWs. Aber einige in seiner Partei unterstützten Atomkraft, sodass es manchmal zu parteiinternen Unstimmigkeiten kommt. Wie auch in einigen europäischen Ländern, verlieren die Sozialdemokraten bei jeder Wahl an Stimmen. Überraschenderweise, wie Ville mir erzählte, setzte die Partei dieses Jahr, mehr auf junge Politiker, um grade die Jugendliche anzusprechen. Am Ende sagte er ja zu mir auf Deutsch "komm zu den Jusos!" .. Ich grinste und lehnte ja dankend ab!

Zweite Station: Die Zentrumspartei – Finnlands liberale Partei

Ganze zehn Minuten war ich dort anwesend. Zumal ich nicht wusste, dass der Stand der Zentrumspartei gehört, da keine klassische Wahlwerbung stattfand. Ich suchte einen Kandidaten, aber dieser konnte kein Englisch. Weiterhin fragte ich nach jüngeren Kandidaten bzw Parteimitgliedern, aber anscheinend waren diese nicht anwesend. Die Zentrumspartei jedoch gewann die Aufmerksamkeit durch die kostenlose warme Suppe, die man nur dann bekam, wenn man einen Flyer in der Hand hielt. Kurz darauf sprach ich mit einigen Studenten, die nur für die kostenlose Suppe anwesend waren. Die Partei würden sie niemals wählen, da sie nur die älteren Menschen vetreten und auf jungpolitische Angelegenheiten nicht wirklich eingehen. In der Tat, vor dem Stand der Liberalen waren nur (!) ältere Menschen. Anscheinend war ich hier auch nicht wirklich wilkommen, da sie meinen "Atomkraft – Nein, Danke!" Button bemerkten und mich mit ernsten Blicken verdrängten. Viel konnte ich diesmal nicht erfahren, zu gern würde ich eine Diskussion über Atomkraft starten. Wurde leider nichts. Also ging die kleine politische Reise durch Joensuu nach nur zehn Minuten weiter.

Dritte Station: Die finnische Linkspartei

Wo sind die Menschen? Aufmerksamkeit bekam die Linkspartei kaum bzw gar nicht. Hier gab es nur kostenlose Luftballons und Bonbons. Mehr nicht. Frechheit! Der einfache finnische Bürger, muss etwas im Magen haben, um ernste Debatten zu führen. Es geht hierbei nicht um das politische Programm. Viel mehr, über das Angebot der Parteien. Einfache Taktik: Bietet man der Bevölkerung eine Kleinigkeit an Essen, dann hören sie dir auch zu. Mehr oder Weniger. Die Studenten waren ja auch nur wegen der Suppe da. Aber für mich war es dann wieder gut, da ich mit dem Kandidaten etwas länger reden konnte. Jaako Turunen, 27, will unbedingt die Universitäten verbessern. Wieso verbessern? Die Bildung in Finnland ist doch hervorragend. Wenn dann müssten wir in Deutschland ja so einiges verändern. Er war der Meinung, die staatlichen Zuschüsse für die Studenten seien zu gering, da die Lebenskosten in Finnland zu hoch sind. Hinzu kommt noch, wenn ein Student arbeiten möchte, entfällt diese Möglichkeit. Man solle die Studenten finanziell mehr unterstützten. Eine ja durchaus hervorrangende Taktik, um Stimmen von den Studenten zu bekommen. Die Zeit drängt, und ich will noch unbedingt zu den Grünen!


Die Grünen hatten heute keinen Stand. Für den Abend wurde ein kleines Programm irgendwo in der Stadt organisiert. Leider musste ich schon am Mittag abreisen. Aber trotzdem für mich ein Grund mehr, das grüne Büro aufzusuchen.

Angekommen, traf ich auf einige junggrüne Mitglieder. Ich jedenfalls wollte unbedingt mit einem Kandidaten sprechen, um mehr über die Wahlen zu erfahren. Ich hatte die Chance die junggrüne Taru Anttonen kennenzulernen. Viele interessante Diskussionen kamen zustande. Unteranderem fragte ich sie, wieso die finnischen Grünen momentan mit dem rechten Flügel koaliert und die Regierung bildet. Hierbei kam eine weitere Diskussion auf, im welchem politischen Lager überhaupt die Grünen sind. Sie erzählte mir, auch die finnischen Grünen seien ziemlich bunt. Man kann sich nicht für ein politische Richtung festlegen. Taru fügte hinzu, die Grünen hätten durch die Regierungsbeteiligung, die Politik besser gestaltet. Des Weiteren diskutierten wir über die Jugendlichen. Wie motiviert man Jugendliche wählen zu gehen? Sie erzählte mir, dass es kaum Politikunterricht in den Schulen gibt. Daher haben viele Jugendliche kaum Wissen über die politische Struktur sowie die Parteien. Auch wird die ganze Sache durch die politische Neutralität in den Schulen erschwert. Insbesondere die Grünen setzten sich für junge Politiker ein, damit diese mehr jungpolitische Themen ansprechen, um die Politik für die finnische Jugendliche attraktiver werden zu lassen. Ich frage Taru, falls sie ins Parlament gewählt wird, welches Thema sie unbedingt ansprechen bzw was sie unbedingt verändern möchte. Spontan erwähnte sie den Klimawandel. Zwar sei der Klimawandel nicht ihr Hauptthema, aber sie würde sich im Parlament, um einen Umweltgesetz bemühen, damit der Kampf gegen den Klimawandel gezielt fortgesetzt wird. Sie erzählte mir danach, im finnische Parlament diskutiert man grade über Studiengebühren für nicht EU – Bürger. Die Grünen setzten sich für ein internationales und multikulturelles Finnland ein. Daher sind Studiengebühren für nicht EU – Bürger inakzeptabel. Die Zahl an ausländischen Studenten sinken stetig. Damit diese Zahl wächst, muss die Bildung frei von Gebühren sein, und attraktiver gestaltet werden. Ein weiteres Thema war die EU. Ich musste während meiner Zeit in Finnland feststellen, dass die Finnen sehr wenig Wissen, über die Europäische Union haben, obwohl sie seit 1995 Mitglied sind. Insbesondere die Jugendliche haben so gut wie kein Wissen. Der Grund hierbei ist einfach, die europäische Politik ist medial nicht präsent genug. Viele wissen nicht, inwiefern die EU Einfluss über das Leben hat. Auch viele Möglichkeiten, die durch die EU entstand, sind nicht bekannt.
Ein weiteres Diskussionsthema waren die "Wahren Finnen". Die rechtspopulistische Partei sind bei den Umfragen zur Zeit die zweitstärkste Partei. Die wahren Finnen gewinnen an Zustimmung, da sie unteranderem die schwedische Sprache, welche offiziell die zweite Sprache in Finnland ist, abschaffen wollen. Alle Finnen müssen irgendwann in der Schulzeit die schwedische Sprache erlernen. Die meisten Finnen bezeichnen dies als "Zwangsschwedisch". Daher herrscht eine große Ablehnung gegenüber der schwedischen Sprache.
Auch wie die anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa, spielen sie mit den Ängsten der meisten Menschen: Angst vor einer Überfremdung durch die Immigration. Man diskutiert hier auch nach "Sarraziner" Art. Die Integration sei bei Einwanderern, aus islamischen Ländern, grade zu unmöglich. Ich muss hinzufügen, die Integrationsarbeit in Finnland ist hervorragend. Die Menschen werden hier würdig behandelt, und bekommen viel Hilfe. Auch lässt man diese Menschen nicht alleine in einem Stadtteil. Die Finnen geben den Einwanderern die Möglichkeit, aktiv mitzugestalten. Hier funktioniert die Integration. Komischerweise ist diese Arbeit wohl den wahren Finnen nicht bekannt.
Taru meinte, ohne Immigration würde Finnland nach vielen Jahren aussterben. Man müsse die Immigration nach Finnland erhöhen. Auch solle man diesen Menschen gezielt helfen, um die Integration in die finnische Gesellschaft zu erleichtern.

Nach unserem Gespräch lernte ich weitere junggrüne Menschen kennen. Endlich konnte ich mal wieder für eine kurze Zeit politisch aktiv sein. In Kouvola jedenfalls werde ich weiterhin nach Parteien und "Events" suchen, um mehr über die Politik zu lernen. Damit ich darüber auch berichten kann. Schießlich hat Finnland eine sehr gut funktionierende Demokratie.
Auch bekam ich eine Einladung von den Junggrünen nach Helsinki. Sie organisieren nach den Parlamentswahlen ein zweitägiges Seminar. Darauf freue ich mich jetzt schon! :)




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